Chemie und Sinterbildung

Leserbrief zu „Kalksinter im Römerkanal“

Von Andreas Grohmann


Der Beitrag von Walram Schmitz, "Kalksinter im Römerkanal", in Heft 4/8 dieser Zeitschrift hat eine erfreulich rege Diskussion entfacht. Nach dem Beitrag von Dietwulf Baatz drucken wir im folgenden einen Brief von Herrn Dr. Grohmann vom Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes in Berlin ab.

Der Verfasser bringt die Calciumcarbonat-Ablagerungen in Zusammenhang mit Kenntnissen aus der Wasserchemie, mit dem Ergebnis, daß er die Belüftungsschächte in erster Linie verantwortlich macht. "Diese Kausalität ist nach unseren heutigen Kenntnissen der Kinetik der Calciumcarbonat-Ablagerungen nicht zwingend. Es sind hier zwei Effekte zu nennen:

A Umstände, die das Wasser in einem Zustand der CaCO3-Übersättigung bringen,
B Umstände, die zu einer Hemmung oder Beschleunigung der im Prinzip möglichen CaC03-Ablagerung führen.

Zu A gehören alle Ereignisse, die zu einer Erhöhung der Carbonat-Ionenkonzentration führen. Im Falle des Römerkanales wären das die Ausgasung von CO2 und die damit zusammenhängende pH-Wert-Erhöhung und Erhöhung des Anteils von Carbonat-Ionen an der restlichen, im Wasser verbleibenden Summe an Kohlensäure und deren Anionen. Weiter käme der Kontakt mit basischen, den pH-Wert erhöhenden Baumaterialien sowie Algenwachstum (bei offener Bauweise) in Betracht.

Zu A gehört auch die Erwärmung des Wassers, weil CaCO3 mit zunehmender Temperatur unlöslicher wird.

Aber auch dann, wenn ein Wasser CaCO3-übersättigt ist, braucht eine CaCO3-Ablagerung nicht immer stattzufinden. Außerdem kann die Ablagerung schlammförmig sein. Z.B. wird London mit einem permanent CaCO3-übersättigten Wasser versorgt, ohne daß die Rohre zugewachsen wären. Hier liegen sog. Kristallisationsinhibitoren vor, die die Steinbildung mehr oder weniger stark hemmen. Sie können in ihrer Wirkung überwunden werden, wenn z.B. durch hohe Wasserturbulenz an den Rohrwandungen stetig neue Kristallkeime entstehen. Das gleiche kann auch durch die Scheuerwirkung mitgeführter Sandkörner auftreten.

Kristallisationshemmend wirken Huminsäuren (z.B. aus dem Quellgebiet des WAssers oder aus Holz von Rohrleitungen) und Algenwachstum an den Wänden. Ein heute angewandtes Mittel ist die Dosierung von Polyphosphaten.

Leider geht aus dem Artikel nicht hervor, wo auf der Strecke zwischen Pütz und Köln Belüftungsschächte eingebaut waren. Dies und Informationen über Bauweise des Kanals, im Sinne offen oder geschlossen, Toskammern, Material wie Holz, basische oder neutral wirkende mineralische Baustoffe und Informationen über Erwärmung durch die Sonne wären zur besseren Interpretation der interessanten Darstellung über die Sinterstärke auf der 90 km langen Strecke des Kanals nützlich. Außerdem wird vermutet, daß die Schicht eine Art Jahresringe zeigen müßte, wenn sie nicht innerhalb kürzester Zeit, sondern im Verlauf einer langen Nutzungsdauer gewachsen ist. Die Frage, welche Mengen an CaCO3-Sinter aus dem Wasser bei verschiedener Erwärmung oder verschiedener Wirksamkeit der CO2-Ausgasung maximal ausgeschieden werden könnten, ließe sich beantworten, wenn eine entsprechende Wasserprobe für eine Vollanalyse verfügbar wäre oder wenn aus der Literatur Hinweise auf die Wasserbeschaffenheit bekannt wären.


Bild: Römische Wasserleitung bei Kreuzweingarten


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