Die Vordereifel



Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901





Stotzheim - Münstereifel.
(1 ¾ Stunden.)



Durch das Wiesenthal nach Weingarten (s. Wanderung II.). Von hier aus Chaussee bis Münstereifel. Beim Austritt aus dem idyllischen Tale fällt gleich der Blick auf zwei stumpfe, alte Burgtürme, die den beiden Nachbardörfern Kirspenich und Arloff angehören. Weithin sichtbar erscheint auch der lange stattliche Turmhelm der Pfarrkirche in Kirspenich. In dem breiten Tale zur rechten winkt aus dem Grün hervor das Wachendorfer Schloß, während weit dahinter am Horizont der hochaufragende, rauchgeschwärzte Mechernicher Bergwerks-Schlot, der dritthöchste Europas, sich finster vom Himmel abhebt. Der betretene Talkessel ist als eine Seemulde gleich zu erkennen; erwägt man noch den Umstand, daß so gewaltige Tonlager jenseits Arloff und Antweiler sich hier befinden, so wird man mit Recht auf den früheren Bestand eines Sees an dieser Stelle der Voreifel schließen dürfen. Schloß Wachendorf schräg gegenüber zeigt sich vor dem Walde Haus Broich, leicht erkennbar durch das freundliche Weiß seines Gemäuers und das Rot seines zierlichen Daches.

Bald ist das glückliche, gemeindesteuerfreie Iversheim erreicht. Die Eifelberge treten nun enger zusammen und bilden das romantische Erfttal, an dessen rechter Talseite sich die Eisenbahn hinzieht. Noch eine Biegung des Weges hinter Iversheim, und vor uns tauchten die Dächer und Türme des alten Eifelstädtchens Münstereifel auf. Bei blauem Himmel und Sonnenschein ist es ein liebliches Bild. Tief unten im Talkessel schmiegen sich die Häuser der Stadt an die rings steil aufsteigenden, meist waldgekrönten Berghänge. Die im Sonnenlicht glitzernden Dächer werden malerisch überragt von den Türmen und Toren der alten Stadtbefestigung. Dazwischen funkeln die vergoldeten Knäufe der dreitürmigen Pfarrkirche und schimmert der schlanke, emporstrebende Dachreiter der Gymnasialkirche. Seine wirkungsvollste Belebung aber erhält das Bild durch die mächtigen Ruinen eines großen Schlosses, die auf einem Vorsprunge der östlichen Berglehne sich steil über dem Erftbett erheben und beherrschend auf die Stadt herabschauen.

Wir gelangen zu dem außerhalb der Stadtmauern geschmackvoll im Schweizerstil angelegten Bahnhofsgebäude. Es ist ein seltsamer Gegensatz, der sich hier dem Geiste aufdrängt. Hier der schrille Pfiff einer Maschine, der gellend von den Bergwänden des engen friedlichen Tales wiederhallt, ein Zeichen neuzeitlichen Verkehrsfortschrittes, dort gerade vor uns stumm und ernst das altersgraue Gemäuer einer mittelalterlichen Torburg und der anstoßenden Stadtmauern. Sie stehen da, gleichsam träumerisch in sich versunken, als gedächten sie wehmütig der guten alten Zeit, da wehrhafte Bürger auf den Wällen einherschritten, die Donnerbüchse richteten und nach dem Waffenlärm des feindlichen Heerlagers ausschauten. Die Münstereifeler Befestigung ist von allen rheinischen Stadtummauerungen die besterhaltene. Von den übrigen Eifelstädten: Nideggen, Ahrweiler, Zülpich hat Münstereifel nicht nur den größeren Umfang der Enceinte, sondern auch eine reichere einzelausbildung voraus. Die Ringmauer gehört dem Anfang des 14. Jahrhunderts an und hatte namentlich in den Kriegswirren des 17. Jahrhunderts viel zu leiden. Eine viel schlimmere Wirkung hat aber die gänzliche Vernachlässigung nach sich gezogen, der die Mauer anheimgefallen ist. Sie folgt mit ihren Langseiten dem Zuge des engen Tales, mit den Schmalseiten übersetzt sie es. In kurzen Abständen war die Ringmauer durch Türme verstärkt und trug auf der Innenseite einen Wehrgang. Sie setzt auch über die Erft, welche die Stadt in der Richtung von Süden gegen Norden durchströmt und war ursprünglich nur von vier Toren durchbrochen: Im Norden vom Werthertor, im Osten vom Johannestor und im Süden vom Orchheimer- und Heisterbacher Tor. Die Westseite hat gar kein Tor, dagegen wurde an der Nordseite vor mehreren Jahren die Mauer durch das Schachthaustor durchbrochen. Vermutlich entstand die erste Anlage der ganzen Stadtbefestigung schon am Ende des 13. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Schloßbau der Herzöge von Jülich.

Die Hauptstraße der Stadt wird betreten durch das wohlerhaltene, früher am stärksten befestigte Werthertor. Es ist ein gotischer Bau des 14. Jahrhunderts, der aus einem stattlichen viereckigen Torturme und zwei auf der Feldseite kräftig vortretenden Rundtürmen besteht, die den eigentlichen Torbau flankieren. Die drei Geschosse desselben empfangen ihr Licht durch Sandsteinfenster. Ein zierliches, auf Kragsteinen vortretendes Kleeblattbogenfries unter dem Dachansatz gereicht dem Ganzen zum besonderen Schmucke. Das nach beiden Seiten steil abgewalmte Satteldach wurde nach dem Brand im Jahre 1892 erneuert. Die neben dem Torturm heraustretenden massigen Rundtürme reichen einst bis an das Gesims des Hauptturmes. Jetzt erheben sie sich nur wenig über die Mauerhöhe. Der zur linken des Eintretenden liegende Ostturm trägt wohl zum Zeichen seiner Wiederherstellung zwischen zwei Gesimsstücken einen Wappenstein mit der Inschrift: 1629 Consule Heinrico Schonaw. Die Torhalle öffnet sich nach außen mit einem doppelten Spitzbogen, zwischen dessen Teilen ein Fallgitter herabgelassen werden konnte.

Unser erster Gang gilt der etwas abseits der Hauptstraße gelegenen Hauptkirche der Stadt, der Stiftskirche. Sie ist ein wohl beachtenswertes Baudenkmal. Der interessanteste Teil, zugleich derjenige, der der Außenarchitektur den besonderen Charakter gibt, ist der Westbau mit der malerischen Turmgruppe. Wer erinnert sich nicht bei ihrem Anblicke der Kirche St. Pantaleon in Köln! Die Verwandtschaft dieser mit der Stiftskirche beruht aber hauptsächlich in den Übereinstimmungen im Grundriß wie im Querschnitt, besonders aber in der Gesamtanordnung des äußeren Aufbaues, während uns die Erwägung des Umstandes, daß bei der Wiederherstellung des ganz entstellten Westbaues von St. Pantaleon durch Baumeister Wiethase die Kirche von Münstereifel als Vorbild diente, die auffallende Parallele noch mehr erklärt.

Es war in den Tagen des schwachen Nachfolgers des großen Karl, Ludwigs des Frommen, als um das Jahr 830 der dritte Abt von Prüm, Markward, in dem damals sogenannten Peterstale am Ufer der Erft eine Filiale seiner Abtei gründete, die anfangs einfach Novum Monasterium hieß. Erst später wurde der Name Monasterium Eifliae gebraucht. Es scheint, daß ursprünglich der hl. Petrus Patron des Klosters war. Abt Markward reiste 844 nach Rom und erlangte vom Papste Sergius II. Für das neu gegründete Stiftskloster die Reliquien der hl. Martyrer Chrysanthus und Daria, die nach der Überlieferung zur Zeit des Kaisers Numerianus im Jahre 288 den Tod durch Steinigung erlitten hatten. Am 28. Oktober 844 wurden die kostbaren Reste der Heiligen durch den Erzbischof Thageubertus von Trier in der bereits erbauten Krypta feierlich beigesetzt. In den Wirren der Reformationskriege wurden die Reliquienschätze auf die feste Arburg geflüchtet und später wiederum vor den ruchlosen Raubbanden Ludwigs XIV. in die freie Reichsstadt Köln in Sicherheit gebracht, von wo sie 1698 in feierlicher Prozession abgeholt wurden. Die über der Krypta erbauten, noch jetzt stehende Stiftskirche, die nunmehr zum Pfarrgottesdienst benutzt wird, stammt aus dem Beginne des 12. Jahrhunderts. Es ist ein bemerkenswerter Bau, eine dreischiffige gewölbte Pfeilerbasilika mit selbständig entwickeltem, dreitürmigem Westbau und halbkreisförmig endigendem, beiderseits von Anbauten begleitetem Chor. Die lichte Länge des ganzen Innenraums beträgt 44,50 m, die lichte Breite 16,80 m. Der Fußboden der Kirche liegt bedeutend tiefer als die Oberfläche des umgebenden Erdreichs. Die Längenachse der Kirche geht von Südwest nach Nordost.

Die Umwandlung der Abtei in ein Stift dürfte sich wohl um 1200 vollzogen haben. Im Jahre 1584 stürzte der südliche Frontturm ein, wurde aber sofort wieder erneuert. Im 18. Jahrhundert scheinen die Klostergebäude des Stiftes bereits Ruinen gewesen zu sein. Die Stiftsherren wohnten jeder für sich in besonderen, meist an der Berglehne gelegenen Kanonikerhäusern. Ein von ihnen erbautes Kapitelhaus wurde 1803 wieder auf Abbruch verkauft. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden die Wandflächen zwischen den Chorfenstern mit Darstellungen aus der Legende der Kirchenpatrone bemalt, die seither jedoch wieder unter der Tünche verschwunden sind. In den Jahren 1876-1880 wurde mit der systematischen Restauration der Kirche nach Plänen des Oberbaurates Schneider begonnen. Beim Abbruche des Küsterhauses, das sich an den nördlichen Flankenturm anlehnte, stürzte dieser zusammen, so daß er vollkommen neu aufgebaut werden muße. Im Innern wurde das Grab der hl. Märtyrer durch Umgestaltung der Chortreppe freigelegt. In den Jahren 1888-1893 wurde die Restauration fortgesetzt und zu Ende geführt. Die Ausmalung der Kirche geschah im Jahre 1893 durch den Maler Fischer in Krefeld. Im Jahre 1897 sind zwei bei Gelegenheit der Restauration zu Tage gekommene Pfeilerfiguren sorgfältig restauriert und ergänzt worden. Es sind mehr als lebensgroße Figuren, Petrus und einen anderen Apostel, wahrscheinlich Paulus darstellend, und aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts stammend.

Zwischen den beiden zum Hochchor führenden Treppen in der Krypta liegt das Grab des hl. Chrysanthus und Daria. Der ursprüngliche steinerne Sarg ist längst verschwunden, im Jahre 1505 wurde bereits ein neuer kostbarer Behälter aus Silber angefertigt. Jetzt ruhen die Leiber der Heiligen in einem aus dem 18. Jahrhundert stammenden, stark vergoldeten truhenförmigen Holzschrein, der in einem zweiten, eisernen Behälter von Kastenform steht. Der Grabraum ist von einer allseits geöffneten Pilasterarchitektur aus Marmor umgeben. Die Türen wie die übrigen Öffnungen sind mit prachtvollen schmiedeeisernen Gittern aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gefüllt. Besonders schön ist die Osttür mit ihrem hübschen Rankenwerk.

In der Krypta befindet sich ferner das Grabmal des 1335 verstorbenen Ritters Gottfried von Bergheim. Auf einem hohen Unterbau liegt die überlebensgroße, würdevolle Gestalt des Verstorbenen in voller Rüstung. Über dem auf zwei Kissen gebetteten Haupte erhebt sich ein großer Baldachin. Die Füße ruhen auf dem Rücken eines Löwen, der ein Hündchen in seinen Klauen hält. In den den Unterbau belebenden Nischen stehen siebzehn Figuren, die wahrscheinlich Familienmitglieder darstellen. Am oberen Rande zieht sich eine noch teilweise erkennbare Inschrift entlang, die uns den Tod des Ritters meldet.


Einen Hauptschmuck des Kirchenschiffes bilden die vier großen marmorepitaphe. An der Nordseite des Mittelschiffes am Obergaden befindet sich das Epitaph des 1587 verstorbenen Ritters Johann Wilhelm von Gertzen, genannt Sintzich. In dem unteren Ende ruht der Schädel des Ritters. Diesem Epitaph gegenüber hängt das in schwarzem und weißem Marmor gearbeitete Epitaph des Johann Salentin Syntzich, der im Jahre 1600 gestorben. Zwei ähnliche, nur bedeutend kleinere Epitaphe zeigen die Wände des Chores. An der Nordseite erblicken wir das der Brüder Arnold und Gottfried Metternich, von denen ersterer 1567 und letzterer 1602 gestorben. Die Südseite des Chores schmückt das Epithaph des Johann Wilhelm von Gertzen, der 1597 gestorben.

Außer diesen Denkmälern, reichgestickten aus dem 16. Jahrhundert stammenden Paramenten, einem Triptychon des 15. Jahrhunderts, das im Pfarrhause sich jetzt befindet, sind besonders bemerkenswert ein spätgothisches Sakramentenhäuschen vom Jahre 1480, ein Dreisitz (eine Arbeit des 14. Jahrhunderts mit vorzüglichen Schnitzereien), der einen großen, truhenförmigen Reliquienkasten aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts trägt, sowie der vor dem Hochaltar sich befindende Bodenbelag des 12. Jahrhunderts (Opus Alexandrinum.) Reiche Verwendung hat der aus dem Römerkanal gebrochene Kalksinter zu Säulen in der Kirche gefunden.

Wenige Schritte bringen uns von dieser ältesten Kirche zur Hauptstraße und zu der in tiefem Bette fließenden, im Frühjahr und Herbst oft hoch anschwellenden Erft; vor uns liegt eine andere stattliche Kirche mit anstoßenden weitläufigen Gebäuden. Gerade sind sie es, die den Namen des kleinen Städtchens in weitere Kreise trugen und noch tragen; es ist die alte Kirche der jesuiten und ihr Kollegium, das jetzige Gymnasium. Die Kirche zeigt, wie soviele Jesuitenkirchen, eine mächtige, hohe Stirnseite, in deren oberen Giebel eine Nische die Statue des hl. Donatus enthält, des Schutzpatrons der Kirche. Die Überreste dieses hl. Märtyrers wurden im Jahre 1652 von Rom aus nach Münstereifel überbracht. Weit verbreitet ist die Verehrung des Heiligen zur Abwendung von Blitzgefahr. Sobald die Blitze zucken und der Donner in den Talgründen widerhallt, erschallt vom Turm der Kirche der Ton eines silberhellen Glöckleins, das die Gläubigen einladet, die Fürsprache des Heiligen zu erflehen. Am Festtage des hl. Donatus, Anfang Juli, ist die Stadt, besonders der der Kirche gegenüberliegende Markt der Schauplatz buntbewegten Lebens. Von allen Seiten zeihen unter lautem Gesang und Gebet die Scharen frommer Wallfahrer herein; viele kommen weither, z.B. aus Plittersdorf am Rhein.

Die Jesuiten begannen ihre Tätigkeit zu Münstereifel, anfangs unter vielen Anfeindungen, im Jahre 1625. Es wandten sich damals einige Stiftsherrn und der Magistrat an die Kölner Jesuiten mit der Bitte, in Münstereifel ein Jesuitenkollegium zu errichten. Der Grundstein der Kirche wurde jedoch erst im Jahre 1652 gelegt, im Jahre 1670 nahm der Kölnische Weihbischof von Walenburg die Konsekration vor. Das Gebäude des Kollegiums wurde im Jahre 1659 begonnen und im Jahre 1674 in der gegenwärtigen Form fertiggestellt. Das Gymnasialgebäude wurde erst 1724 in Angriff genommen und drei Jahre später vollendet.

Bewunderung erregt auch das Innere dieser Kirche durch die kühnen stattlichen Verhältnisse des sehr geräumigen Saalbaues mit den hängenden Galerien. Die großen Barockaltäre gehören der Entstehungszeit der Kirche an.

Unmittelbar an die Kirche schließen sich die weitläufigen Klostergebäude an, die zwei große viereckige Höfe umschließen. Zunächst der Kirche liegt das Kollegium. An der Treppenbrüstung der ersten Türe lesen wir ein Chronikon mit der Jahreszahl 1818; das an dem Dreieckgiebel der Türe angebrachte Chronikon gibt die Entstehungszeit des Kollegiums, 1659 an. Südlich an das Kollegium stößt das Gymnasialgebäude an mit dem kleinen Dachreiter auf dem Satteldach. Erwähnenswert ist das ehemalige Resektorium, das jetzt als Aula dient und dessen Wände mit Holzgetäfel vom Anfang des 18. Jahrhunderts bekleidet sind.

Doch nun hinauf zur Burgruine. Malerisch baut sie sich auf einem Absatz des Radberges auf, der die Erft am rechten Ufer begleitet. 1)

1) Nach dem Volksglauben hat der Radberg seinen Namen davon, daß die Wollenweber, hier wie anderswo der stärkste Zunftverband, am St. Blasiustage auf den Berg zu ziehen pflegten und von dessen Gipfel ein Rad, das Wahrzeichen der Weberzunft hinunterrollten. In Wirklichkeit deutet der Name darauf hin, daß der Berg durch Rodung urbar gemacht ist.

Zeit und Roheit haben die Trümmer getrotzt, und so bewiesen, um wieviel gewaltiger ursprünglich der Bau des Schlosses gewesen. Es bildete den Sützpunkt der ganzen Befestigung und ist wahrscheinlich noch älter als die Ringmauer mit ihren Türmen, die die Stadt umzieht. Ein bequemer, neuerdings angelegter Aufstieg bringt uns in wenigen Minuten zur Ruine. Am Erftufer treten wir zunächst durch ein von anderer Stelle hierher versetztes Tor, das aus dem 16. Jahrhundert stammt. In seinem dreieckigen Giebel schauen wir das Jülich-Ravensberger Wappen. Unterwegs machen wir uns mit der kurzen Geschichte des Schlosses bekannt. Wahrscheinlich wurde es bald nach dem Übergange der Stadt in die Herrschaft der Grafen, später Herzöge von Jülich um 1270, erbaut. Es residierten hier die Amtmänner derselben. Sie bewohnten das Schloß bis zum Jahre 1689, in welchem Jahre die Werke wälschem Vandalismus zum Opfer fielen. Die Ruinen wurden zu Anfang unseres Jahrhunderts von der französischen Domänenverwaltung einem Herrn de Requile verkauft. Im Jahre 1854 befanden sie sich im Besitze eines Herrn Frank. Der jetzige Eigentümer ist Herr Marin Daniels.

Die vier noch stehenden, stattlichen Türme suchte man gegen Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts vor weiterem Verfall zu schützen; leider sind die Arbeiten in ganz stilwidriger Weise ausgeführt, so daß man nicht mit Unrecht von einer „ruinierten Ruine“ sprechen konnte. In einer Ecke hat der Besitzer einen Tanzsaal angebracht, ein Backsteinbau, der leider auch nicht im Anschluß an die Formen der Burg aufgeführt ist. Der daranstoßende Eckturm von 12m Höhe läßt sich besteigen. Besonders zur Zeit der Baumblüte lohnt den Besucher ein herrlicher Blick auf das Tal und die inmitten zahlreicher Obstgärten liegende Stadt. Wie stattlich muß in alter Zeit der Anblick gewesen sein, ehe das Schloß und so viele andere Denkmäler unter den Stürmen der Raubkriege Ludwigs XIV. von Frankreich in Trümmer gesunken, als noch manche andere Kirchen und Klöster, die mittelalterlicher Glaubenseifer geschaffen, z.B. die Johannes- und Kapuzinerkirche, das Stadtbild belebten und verschönerten. Heute noch steht am Markt die Klosterkirche der Karmelitessen, die von diesen im Jahr 1770, nachdem sie schon 113 Jahre in Münstereifel gewirkt, erbaut worden ist. Infolge der Säkularisation wurde die Kirche im Jahr 802 außer Gebrauch gesetzt, im Jahr 1838 jedoch von den Salvatorschwestern restauriert und wieder der Benutzung zugänglich gemacht. Ein Brand zerstörte im Jahre 1879 Kloster und Kirche. Doch schon im folgenden Jahre wurden sie wieder hergestellt. Gegenwärtig dient sie den Zwecken der in den Klostergebäuden untergebrachten Lehrerinnenbildungsanstalt. Gleich in der Nähe fällt uns ein anderes altertümliches, hochgiebeliges Gebäude auf: es ist das ehemalige Rathaus, aus dem 15. Jahrhundert stammend. Das Wappen Münstereifels, ein Stern und ein auftauchender Löwe sowie das den Herzogtums Jülich, prangen noch auf der ehemals gewiß wirkungsvollen Fassade. Im Innern aber hat eine Bierbrauerei ihren Stapelplatz aufgeschlagen. Auch ein Bild irdischer Vergänglichkeit! Unter den wenigen gotischen Rathäusern, die der Niederrhein noch besitzt, wäre das Münstereifeler eines der ansprechendsten, wenn nicht trauriger Vernachlässigung anheimgefallen wäre.

Außer dem altehrwürdigen Bau des Rathauses bestehen noch viele andere Privathäuser des 17. und 18. Jahrhunderts, welche der Stadt das Gepräge des Alten verleihen. Dem Ausgange des 12. Jahrhunderts gehört ein in seinem Kerne romanischen Haus, Lange Hecke Nr. 49 an. Von spätgotischen Häusern ist erwähnenswert der Steinfelder Hof, der in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts von dem Steinfelder Abt Johann von Ahrweiler erbaut wurde. Einen eigenartigen Reiz bieten die Häuser der oberen Hauptstraße, Orchheimer Straße genannt, mit ihren vorspringenden Obergeschossen und altertümlichen Giebeln. Unter ihnen zieht das nach dem früheren Besitzer genannte Windeck's haus, ein Fachwerk aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts, unsere Aufmerksamkeit auf sich durch die reichen Schnitzereien der Front.

Wir setzen unseren Weg in die Richtung zum Orchheimer Tore fort und treten durch diese einfache gotische Torburg vor die Stadt auf die Straße, welch nach Eicherscheid führt. Auf der rechten Seite der Straße liegen in geringer Entfernung von der Stadtmauer die beiden Bauten des Erzbischöflichen Konviktes. Im ersten Gebäude, dem älteren, (im Jahre 1896 errichtet) finden Schüler der mittleren und oberen Klassen des Gymnasiums Aufnahme. Auch die hübsch bemalte Kapelle befindet sich in diesem Flügel. Südlich setzt sich an diesen, mit ihm durch einen Gang verbunden, der im vorigen Jahre errichtete neue Flügel des Konviktes an. In ihm wohnen Schüler der unteren Klassen des Gymnasiums. Ein Vorgarten trennt beide Gebäude von der Straße. Nach den von Baumeister Statz entworfenen Plänen erbaut, gereicht der doppelflügelige Bau mit seiner schmucken hohen Fassade dem Tale zur besonderen Zierde.



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