Die Vordereifel 

Geschichtliches und Wanderungen von Joseph Pesch - 1901 

Vorwort 

Wenn wir es unternehmen, einen jungen Springinsfeld mehr in den Troß der unzähligen Reise- und Touristenführer einzugliedern, so hat dies wohl seinen guten Grund. Handelt es sich doch darum, allen jenen einen willkommenen Führer zu stellen, die, dem nun einmal nicht auszuweichenden Leben in Bade- und Kurorten abhold, an der alten, aber bewährten, heute und immer einzig vernünftig bleibenden Erholungsweise festhalten: fern vom lärmenden Getriebe der Städte in idyllischer Ruhe, in einer angenehmen, an landschaftlichen Schönheiten reichen Gegend zu verweilen, in deren reiner Luft die frei von den Giftatomen der Fabrikschlote, die Lungen gefunden, die Nerven nachhaltig beruhigt, Geist und Körper durch Wanderungen gestärkt und gekräftigt werden für neue Strapazen, die von jedem Stande der Charakter unserer Zeit fordert. 

Von Tag zu Tag erkennen wir es leider mehr, wie die Wahrung alles Natürlichen, wie's unter der liebenden Fürsorge des Schöpfers in reizvollen Landschaften üppig gedeihend und entgegentritt, den Menschen so schwer fällt. Da müssen flugs die Pioniere der modernen Kultur das ganze Füllhorn des neuzeitlichen luxuriösen Komforts über jene Plätze ausschütten. Nun schießen großartig angelegte Hotels, Villen in allen möglichen Stilarten, - darunter auch der „Herz und Nieren erquickende Secessionsstil“ -, wie Pilze aus der Erde. Gellend hallt von den Bergwänden der schrille Pfiff der Lokomotive wieder oder laut und unheimlich surrend und klingelnd fährt eine „Elektrische“ dahin; Automobile und Fahrräder sausen beängstigend an einander vorüber: ein großes Stück des neuzeitlichen Großstadtgetriebes entfaltet sich nun an ehemals stiller Stätte. Die Fesseln der Etiquette lasten auf aller Bewegung in zahllosen Gesellschaften und Klubs - und das alles geschieht, um den Fremden den Aufenthalt so angenehm - im Grunde genommen: so theuer als möglich zu machen. 

Wunden sind es, die unsere Zeit der Kultur auf solche Weise schlägt, die aus einem Bilde von Liebreiz ein Zerrbild schafft, über dem der Dunst des Parfüms und der Cigaretten lagert. 

Doch in solch' entstellte Gefilde geleitet unser Führer uns nicht. Er weist hin auf einen jener stillen Erdenflecken unseres schönen deutschen Vaterlandes, die da Oasen in der Wüste gleichen, nach deren erfrischendem Quell der von der fiebernden Gluth der Nervosität abgespannte und vom Samum der Vergnügungssucht gepeitschte Körper lechzt, einem Quell der wahren, leibliche und geistige Gesundheit fördernden Erholung. 

Dieser gewiesene Erdenflecken ist das Höhengebiet der nördlichen Eifel zwischen Satzvey und Rheinbach, dessen südliche Begrenzungslinie über Münstereifel geht. Zum Centrum des Gebietes, der bei Stotzheim an der Erft liegenden Hardtburg, bringt den Reisenden die Bahn Euskirchen-Münstereifel, auf deren Station Stotzheim man aussteigt, um in 20 Minuten diese malerisch auf der Höhe der Hardt gelegene Veste zu erreichen. Hier halte man Umschau in die Vordereifel! Zu Füßen wie Matten ausgebreitet liegen fruchtbare Gefilde, lachende Fluren, rauschende Wälder! Und welch ein großartiger Rundblick! 

Die Bahn Euskirchen-Münstereifel, die am 1. Oktober 1891 eröffnet worden, folgt dem idyllischen Thale der Erft, die bei Holzmülheim in der Eifel entspringt. Sie durchschneidet die Vordereifel fast in ihrer Mitte von Süd-West nach Nord-Ost. Der Westgrenze des von uns beschriebenen Gebietes, dem bei Urfey entspringenden Veybach entlang, einem linken Zufluß der Erft, zieht ebenfalls eine Bahn, die Staatsbahn Köln - Euskirchen - Trier. Im Süd-Osten ist von der Ahrthalbahn aus durch das romantische Sahrbach-Thal die Vordereifel - und zwar in ihren schönsten Theil leicht und bequem einzutreten. Von Rheinbach, einem Stationsort der Bahn Euskirchen - Bonn, gelangt man mittels Postwagen in den eigentlichen Kern der Vordereifel. 

Daß wir das eben näher bezeichnete Gebiet unserer Wanderungen kurzweg „Vordereifel“ nennen, geschieht aus praktischen Gründen und soll damit keineswegs der Begriffsumfang des Wortes „Vordereifel“ festgelegt werden. Es ist übrigens jenes Gebiet, welches die Eifelvereins-Ortsgruppe „Hardtburg“ zum Felde ihrer in mannigfacher Hinsicht nutzbringenden Wirksamkeit erkoren hat. Und wahrlich, dieser Distrikt ist es werth, Gegenstand einer solch trefflichen Fürsorge zu sein, wie sie der eben genannte Verein ihm angedeihen läßt. Ja, die schönen, reizenden Berg- und Waldpartien berechtigen auch den offenen Hinweis auf die Vordereifel als lohnenden Aufenthalt für Touristen, für Erholung und Genesung suchende Fremde. 

Damit dieser Hinweis aber überzeugend wirkt, muß eine genaue Schilderung der Landschaft geboten, sowie durch Vorführung der volkswirtschaftlichen Verhältnisse den in Bezug auf die Unterkunfts- und Verpflegungsfrage etwa auftauchenden Vorurtheilen der Halt entnommen werden. Dieser Forderung glaubt das vorliegende Wanderbuch in seinem zweiten Theile wohl gerecht worden zu sein. Als zuverlässiger Führer geht es dem Fremden zur Hand und geleitet ihn durch stattliche Wälder und liebliche Auen, über Berge und durch Thäler, zu altersgrauen Burgen und neuzeitlichen Schlössern in den Kreis biederer, glücklicher Menschen, die die schönste Tugend der alten Germanen schmückt: die Gastfreundschaft. 

Den zwanzig Wanderungen, die unser Buch in einem 2. Theile bringt, haben wir nun Abhandlungen von kleinerem und größerem Umfange vorausgeschickt, die als 1. Theil „Geschichtliches“ aus der Vordereifel bringen. Ihrer hohe historische Bedeutung soll dadurch in's rechte Licht gestellt werden. Daß wir der historischen Auffassung der Vordereifel so weiten Raum gewidmet haben, hat eben dahin seinen Grund, daß unsere Zeit sich mit ganzer Liebe dem Vorliegenden und Ergebenen zuwendet, um dasselbe in seinem Entstehen und Werden, in seiner Entwicklung und Blüthe, in den Übergängen und Neubildungen unter kulturellen und territorialen Vorbedingungen und Einflüssen zu studieren. Diese Rücksicht auf den einmal herrschenden Geist unserer Zeit haben wir auch genommen bei Zeichnung der Wanderungen, indem wir nach der ästhetischen Betrachtung der vielen Bau- und Kunstdenkmäler der Vordereifel die historischer Ausstattung derselben in kurzen Geschichtsabrissen zu ihrem vollen Rechte kommen ließen. 

Auch die Sagen der Vordereifel, zwar wenige, haben in einem eigenen Abschnitte des 1. Theiles Aufnahme gefunden. Zum Schlusse des 2. Theiles ist ferner ein kleiner Liederstrauß beigefügt, aus dem der Sangeslustige auf Reisen und bei fröhlichen Gelagen nach Herzenslust pflücken kann. 

So ziehe denn hinaus, mein Wanderbuch, erzähle und begeistere! Gottes Segen walte über der Verfolgung deines menschenfreundlichen Zweckes! Mit diesem Wunsche verbinde ich den herzlichen Dank gegen alle, die mich bei Abfassung dieses kleinen Werkes so bereitwilligst unterstützt haben, und um deren weitere freundliche Unterstützung bei Beseitigung der Mängel dieses Buches ich bitte. 

Kemperhof bei Koblenz. 

Joseph Pesch.

Sommers-Anfang 1901

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