Zur Geschichte und zur Frage der Wehranlagen von Billig

Von Werner Sieper


In der Zeit von 1874 bis 1879 wurden in der Flur "am Kaiserstein" östlich der Ortschaft Billig Grabungen vorgenommen, die zur Aufdeckung eines ausgedehnten Straßenvicus führten, der sich zu beiden Seiten der hier verlaufenden römischen Heerstraße Trier-Wesseling-Köln und der sie kreuzenden Straßen, so der von Zülpich kommenden, hinzieht. (VgI. Kartenskizze: Billig und Umgebung,l.)

Dieser Vicus ist weder eine dörfliche Siedlung noch eine Befestigung, vielmehr eine Niederlassung von Händlern und Gewerbetreibenden, also ein Marktort evtl. mit Unterkunftmöglichkeiten. Der als "Belgica vicus" gesicherte Platz kann demnach nicht auf eine Stufe gestellt werden mit den starken StraßenkastelIen wie z. B. Jünkerath. In nächster Nähe liegende Sicherungen irgendwelcher Art sind bislang nur behauptet, nicht aber eindeutig nachgewiesen worden.

Es hat also keinen Sinn, sich in der Konstruktion großer Zusammenhänge zu ergehen. Der in der Literatur behauptete "Kranz von Vorwerken" oder "Festungsgürtel" rings um "Belgica vicus", das nicht einmal selbst befestigt war, ist eine Fabel.

Dies vorweg zur Einführung, denn wir wollen uns in der vorliegenden Arbeit nicht mit der römischen Entwicklung von Billig, sonder mit der mittel- und nachmittelalterlichen befassen. Auf diesem Wege begegnen uns freilich die zu Billig behaupteten, bzw. vermuteten römischen Anlagen, mit denen wir uns zwangsläufig auseinandersetzten müssen.


Bronzegefäß



Geschichtliches


Nach Mürkens steht die Bezeichnung "Belgica vicus" nicht in Zusammenhang mit dem Namen der Belgier ("Belgae"), sondern mit dem einer keltischen Siedlung "Belgica", den er von einem jetzt versiegten Bach namens "Belga" ableitet, der früher in Richtung Rheder zur Erft abfloß. Ebensogut könnte man von einem Gewässer ausgehen, das im Bereich des heutigen Billig in die Erscheinung trat, so daß wir in diesem Ort und nicht anderwärts die ursprüngliche keltische Siedlung "Belgica" zu suchen hätten. Der auch heute noch zu Billig auftretende Wasserreichtum, der uns noch beschäftigen wird, gibt dieser Version eine gute Stütze. - Jedenfalls ging mit dem Ende der Römerherrschaft der abseits von Billig gelegene Straßenvicus unter. Die fränkischen Eroberer siedelten sich im Bereiche des heutigen Billig an, dessen Name von Belgica abzuleiten ist. - Unbeantwortet lassen wir die Frage, ob Billig zum Krongut gehörte, und welche Rolle es gegebenenfalls als Filialhof des Königshofes Flamersheim gespielt hat.

Nach Renard wäre Billig im 13. Jahrhundert im Besitze von Walram von Limburg gewesen. Gemeint ist aber sicherlich Walram von Montjoie-Falkenburg aus dem Hause Limburg, Herr von Euskirchen. Völlig unverständlich aber ist seine spätere Behauptung, die "Billiger Burg" sei im 12. Jahrhundert ein brabantisches Lehen gewesen, was auf alten "bedeutsamen Burgbesitz" schließen lasse. VgI. die diesbezügliche Kritik von Reinartz. Nach diesem verkaufte im Jahre 1326 Ruprecht von Tomburg die drei Dörfer Billig, Roitzheim und Kleinbüllesheim seinem Oheim Propst Eberhard. Er fügt hinzu, es sei alter Tomburger Besitz gewesen, wohl noch aus der Zeit der Pfalzgrafen, also fränkisches Krongut wie die Pallenz zu Zülpich. Zufolge einer Urkunde von 1337 (LacombIet UB 111, Nr. 315) übertrugen die Tomburger Herren, Ruprecht, Abt von Corvey, und sein Bruder Walreve, "commandeur von Tonenberg", die Dörfer Billig, Roitzheim und Kleinbüllesheim als ihre und ihrer Eltern Sitze dem Markgrafen Wilhelm von Jülich. Von dieser Zeit ab datiert die Zugehörigkeit besagter Orte zum jülischen Territorium. - Ab 1364 finden wir Billig und Roitzheim nacheinander im Besitze der Herren von Tomberg-Vernich, von Saffenburg, von Eich, von Drachenfels und von Walbott-Gudenau. Und damit sind wir bereits an der Wende des 18. Jahrhunderts angelangt, bis zu welchem Zeitpunkt Billig und Roitzheim eine Herrlichkeit innerhalb des Amtes Euskirchen darstellten.

Reinartz hat die Aufmerksamkeit auf ein im 14. Jahrhundert zu Billig sitzendes Geschlecht gelenkt. Ein Ritter Heinrich Smeiche von Billig tritt nämlich in zwei Urkunden von 1380 und 1386 - vgl. Rotthoff - in Erscheinung (Schreibweisen: 1380 = Heynrich gen. Smeyge van Billich, 1386 = Henrich Smeiche van Billich) .Er war offenbar seines hohen Alters wegen nicht mehr in der Lage, den weiten Weg zur Pfarrkirche Weingarten zurückzulegen, so daß ihm das Kapitel zu Münstereifel eine Samstagmesse in der Kapelle zu Billig lesen ließ. Ein Heinrich gen. von Billig wird auch in einer Urkunde von 1334 im Zusammenhang mit der Verpfändung von zu Pesch gelegenem Besitz erwähnt. Um 1260 erscheinen Schmeide als Lehnsträger der Abtei Steinfeld. Bekannt sind außerdem die Smeych von Lissingen, die erstmals 1212 als Lehnsträger der Abtei Prüm auftreten und auf der sogenannten Burg Lissingen sitzen.

Ein Johann Smeych von Lissingen begegnet uns 1377 als Herr von Zievel bei Satzvey. Mit seinem Sohn Andreas scheint das Geschlecht 1440 im Mannesstamme ausgestorben zu sein, denn es sind auch keine Nachkommen des sicherlich schon vorher verstorbenen Ritters Heinrich Smeyche von Billig bekannt geworden. Was diesen anbetrifft, wäre ergänzend noch folgendes zu sagen. Aschenbroich erwähnt, der Herzog von Jülich habe dem Ritter Heinrich Smeiche von Billig einen Hof zu Dorve (südlich von Düren) verpfändet, ihn aber im Jahre 1380 wieder eingelöst. Da der Jülicher erst 1356 mit der Herzogswürde bekleidet wurde, kann die Verpfändung nicht vor diesem Zeitpunkt vollzogen worden sein. - Reinartz meint übrigens, bis auf den Ritter Heinrich Smeiche habe keines der oben angeführten Geschlechter seinen Sitz in Billig gehabt, das Ländchen sei vielmehr durch Beauftragte verwaltet worden. Ob dem so ist, steht dahin. Jedenfalls ist unser geschichtliches Wissen um Billig äußerst dürftig. Es fehlt eine klare Linie, der Zusammenhang.



Die bislang zu Billig behaupteten Wehranlagen


Zahlreiche Stellungnahmen befassen sich mit der sogenannten Burg zu Billig und sonstigen dortigen Wehranlagen, und es ist dem Betrachter schwer, wenn nicht unmöglich gemacht, sich aus dem Wirrwarr gegensätzlicher Meinungen und bloßer Vermutungen, dazu dem Durcheinander von römischen und mittelalterlichen Anlagen zurechtzufinden, zumal in Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse. So sieht sich denn der Verfasser vor die unangenehme Aufgabe gestellt, zunächst Irrtümer und fachliche Entgleisungen auszuräumen, bevor er eine neue Version zur Sache vorträgt. Zur Erleichterung des Verständnisses müssen wir uns freilich eines Wegweisers bedienen in Form einer Planskizze Billig 11, aus der die verschiedenen zur Erörterung stehenden Bereiche ersichtlich sind: A = Bereich der früheren abgebrochenen Kapelle und jetzigen Pfarrkirche; B = Bereich der neuen Kapelle (genannt Orenstein) ; C = Bereich des Grabensystems mit Turmhügel; D = Bereich einer großen, im Süden von einem verlandeten Teich und verwischten Graben begrenzten Fläche.

Pohl ist geneigt, den Bereich B als ein Vorwerk von "Belgica vicus" anzusehen, vermag sich dabei aber nur auf den seltsamen Namen "Orenstein" zu berufen, die etwas erhöhte Lage der Örtlichkeit und die Findlinge, die früher dort herumlagen. Des weiteren verweist er auf die in nächster Nachbarschaft gelegenen Bereiche C und D, die seiner Ansicht nach zwar auf die fränkische oder mittelalterliche Zeit zurückgingen, aber römischen Ursprung nicht ausschlössen. -Von Veith behauptet einfach eine römische Lagerbefestigung in den Bereichen A, B, C, D im Gesamtumfang von 5 ha. Trotz detaillierter Betrachtung weiß er keinerlei tatsächlichen Anhalt, geschweige denn Beweis zu erbringen. Mit Illusionen und Vermutungen kann man keine wirklichkeitsnahe Geschichte schreiben.


Die späteren Autoren haben sich wesentlich kürzer als Pohl und von Veith gefaßt. So als nächster Renard. Er führt den damaligen Grabungsleiter aus'm Weerth an, der meint, das "Sperrfort", bzw. "Kastell" Belgica sei an der Heerstraße etwa im Bereich Antweiler, Wachendorf zu suchen. Renard erklärt dann selbst, zu Billig seien Spuren einer Erdbefestigung im Bereich A zu erkennen, die römischen Ursprungs sei. Als "Billiger Burg" bezeichnet er hingegen den Bereich C unter Hinweis auf den dortigen Hügel mit Grabenssystem und als deren "Vorburg" den Bereich D, auf dessen Wassergräben und Flurnamen "auf der alten Burg" er verweist. - 22 Jahre später aber gibt Renard folgende Erklärung ab: "Auch abweichende Typen (gemeint sogenannte Motten) kommen vor - der eigenartigste darunter ist vielleicht eine leider jetzt zum größten Teil zerstörte Anlage zu Billig, ein langgestreckter Wassergraben, der in den kreisförmig ausgeweiteten Enden zwei gleichartige Rundhügel umschloß und neben dem vor 20 Jahren noch ein rechteckiges Vorburggelände zu erkennen war."


Sog. Motte, Standort der früh. Burg


Abgesehen davon, daß die eine Stellungnahme unvereinbar ist mit der anderen, ist das gesamte Renardsche Vorbringen reine Illusion bis auf das, was tatsächlich für ihn wahrnehmbar war, nämlich der Hügel inmitten des Grabensystems im Bereiche C. Auf die imaginäre Doppelhügelanlage kommen wir noch zurück. Hagen meint, eine Straßenbefestigung sei noch nicht erwiesen, aber zu Billig auf der als "Römerlager" bezeichneten Stelle an der neuen Kapelle, also im Bereich B möglich, wo angeblich nach Reinartz römische Mauern anstehen sollen. -Reinartz hält wie Hagen ein befestigtes Lager oder Kastell im Bereich B für wahrscheinlich, sagt aber nichts von dort befindlichen Mauern. Er beruft sich vielmehr auf die von Pohl angeführten Findlinge, von denen übrigens noch einige nahebei zu sehen und auf die man nach Aussage Dritter auch heute noch in Billig bei Erdarbeiten stößt. Eine mittelalterliche Burg ist nach ihm der wasserumwehrte Hügel, eine sogenannte als "Knöpp" bezeichnete Motte, im Bereich C. Auch er spricht wie Renard von einern Rundhügel und beruft sich wie dieser auf die Flurbezeichnung "an der alten Burg". - Beide Autoren drücken wiederum Vermutungen aus. Als Tatsache bleibt nur der wasserumwehrte Hügel im Bereich C übrig, der freilich kein Rund- sondern ein etwas abgeschliffener Viereckhügel ist.

WeIters meint, es bestehe nach den bisherigen Ausgrabungen keine Klarheit darüber, ob der wasserumwehrte Viereckhügelbereich C römischen oder mittelalterlichen Ursprungs sein. Er beruft sich hierbei auf Wildeman (Rheinische Wasserburgen und Schloßbauten, 1937) und verweist außerdem auf den offenbar von Wildeman angeführten Gelmann, der in dem Hügel einen der Curtis (Wirtschaftshof) vorgelagerten "Spiekerberg" sehe, der einen Speicher oder Bergfried getragen habe, also einen Bau, dessen Aufgabe es gewesen sei, Ernte und sonstige Vorräte zu bergen und als Wart- und Verteidigungsturm zu dienen. In der von WeIters vorgelegten Karte, die auch bei Franke erscheint, wird Billig als "unbekannte Burgform" erklärt. Als letzter äußert sich Kisky dreimal kurz zu Billig, der Viereckhügel habe angeblich einen römischen Wachtturm, dann eine mittelalterliche Burg getragen, nach Gelmann handele es sich um einen Spiekerberg, nach seiner eigenen Meinung stellte er eine "Motte" frühmittelalterlichen Ursprungs dar, dem vermutlich ein Wirtschaftshof vorgelagert war. - Und damit sind wir endlich der Sache näher gekommen. Der Vollständigkeithalber sei noch Pesch erwähnt, der nicht Billig, sonder die Flur "Kaiserstein", als "Belgica vicus", in das von ihm dargestellte Signalsystem der Nordeifel einbaut, zu dem wir hier nicht Stellung nehmen können.

Für römische militärische Anlagen in Billig fehlt jeder Anhalt, geschweige, denn Beweis. Die einzige zu Billig wahrnehmbare Wehranlage, der Hügel mit Grabensystem im Bereich C, ist mittelalterlichen Ursprunges. Im übrigen sind fast alle Ausführungen unklar, und da ohne Pläne oder Skizzen gearbeitet wird, ist es oft schwer, sich zurechtzufinden und zu begreifen, was der Autor denn eigentlich sagen will oder meint. Dazu die Widersprüche, der Ballast an Vermutungen, die fachlichen Flachheiten oder Entgleisungen und überhaupt der Meinungswirrwarr. Was oder wem soll denn der in der Sache nicht bewanderte und mit der Örtlichkeit nicht vertraute Betrachter glauben? - Die Notwendigkeit einer kritischen Behandlung des aufgeworfenen Problems auf der Grundlage von Tatsachen und unseres heutigen fachlichen Wissensstandes ist folglich einleuchtend.



Die früheren Kapellen zu Billig


Die von Renard aufgestellte Behauptung, die Billiger Kapelle sei schon 1237 urkundlich erwähnt, ist, worauf Reinartz bereits hingewiesen hat, unzutreffend. Von einer Kapelle zu Billig erfahren wir erstmals in den bereits erwähnten Urkunden von 1380 und 1386 (vgl. Rotthoff). Sie stand im Bereich A und wich der jetzigen, in den Jahren 1895 bis 1897 neu erbauten Pfarrkirche. Renard beschreibt die abgebrochene Kapelle als einen schmucklosen Bruchsteinbau, der im wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert gestammt habe. Dieser ist offenbar an die Stelle einer älteren Kapelle getreten. Beim Abbruch fand man u. a. ein frühromanisches Kapitell, das immerhin zu Annahme einer im 11. bis 12. Jahrhundert zu Billig bestehenden gemauerten Kapelle berechtigen könnte. Über die sonstigen Funde äußert sich Renard nicht. Vielleicht könnten sie uns weitere Aufschlüsse geben. Nicht unerwähnt sei, daß nach Reinartz das Patrozinium des hl. Cyriacus der früheren Kapelle auf die nachkarolingische Zeit hinweise.

Der Standort der alten Kapelle im Bereich A ergibt sich aus dem .Katasterplan Billig von 1828/29. Ihre Außenmaße betrugen im letzten Entwicklungsstadium vor dem Abbruch 15 mal 6,50 m. Gemessen an anderen alten Dorfkapellen war sie demnach gar nicht so klein. Die Uranlage dürfte freilich einen wesentlich geringeren Umfang gehabt haben. Diese war, wenn Reinartz mit seinem obigen Schluß Recht hat, sicherlich noch ein Holzbau, so daß die erste gemauerte Kapelle des 11. bis 12. Jahrhunderts schon die zweite Entwicklungsstufe darstellen würde. Der Kapellenbau hat sich als starkes siedlungspolitisches Antriebsmoment erwiesen. Die Kapelle ist in zeitlicher Sicht ein Spiegelbild der Bedeutung einer Siedlung. Ihr sollte auch im Falle Billig Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die zwei neuen Sakralbauten können wir hier übergehen.



Die Turmhügelanlage zu Billig


Der Katasterplan von Billig aus den Jahren 1828/29 wurde dem Verfasser seitens des Katasteramtes Euskirchen freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Er gibt uns wichtige Aufschlüsse über Kriterien, die bereits weitgehend verwischt sind und über die Flurnamen an den Bereichen C und D. Leider ist statt des Hügels mit Grabensystem die Begrenzung einer Parzelle H. III eingezeichnet, die zwar das Grabenviereck einschließt, aber mit dessen Konturen nicht ganz übereinstimmt. Dieser Nachteil wiegt jedoch nicht schwer, da ja gerade der Hügel mit seinem Grabenviereck vollständig erhalten und somit ausmeßbar ist.

Wie sich aus der Planskizze Billig ergibt, trennt heute ein in südwestlicher Richtung etwa ansteigender Feldweg die Bereiche C und D. Er zweigt von der Dorfstraße in Höhe des Tores zum Kirchplatz ab. Zur Rechten liegt der Bereich D, eine Weide, etwa 5500 qm groß. Das Terrain fällt in nördlicher und westlicher Richtung zum Dorf hin ziemlich ab. Auf seiner Südseite wird es begrenzt durch einen sich noch schwach abzeichnenden Graben mit merklich überhöhtem Vorgelände, der sich nach Westen hin teichartig verbreitert. Dieser Teich hatte offenbar an seinem südwestlichen Ende einen Überlauf und ist auch heute trotz Schrumpfung und Verlandung noch zeitweilig naß. Der Katasterplan Billig zeigt uns Graben und Teich in ihrer früheren Verfassung. Der ursprünglich 62 m lange Graben hatte eine Breite von 7,50 bis 11 m, der Teich eine Gesamtfläche von etwa 700 qm. Die Angaben verstehen sich einschI. nördlichem Flach- und südlichem Steilrand.

Links von dem von der Dorfstraße abzweigenden Feldweg liegt ein künstlicher Hügel inmitten eines viereckigen Grabensystems. Es handelt sich um eine Kunsthügelanlage, und zwar in ihrer unberührten Ursprünglichkeit ein Kleinod ihrer Art. Bei solchen Anlagen, die nicht römischen, sondern mittelalterlichen Ursprunges sind, haben wir freilich zu unterscheiden zwischen den großen Burghügeln - wie z. B. bei der Hardtburg bei Stotzheim und der Alte Burg bei Münstereifel, deren ausgedehnte Plattform zur Aufnahme einer ganzen Burg bestimmt war -und den wesentlich kleineren Turmhügeln, die lediglich ein turmartiges Gebäude evtl. mit unbedeutendem Nebengelaß aufzunehmen hatten. Der Billiger Hügel ist seiner Größenordnung nach kein Burghügel, sondern ein fast mittelgroßer Turmhügel. Er ist übrigens nicht, wie einige Autoren behaupten, ein Rund-, sondern ein verwitterter Viereckhügel. Im letzten Krieg diente er als Schutzraum. Daher die Eingänge im unteren Teil auf zwei sich gegenüber liegenden Seiten. Die Gräben führen noch Wasser.



Zwei bescheidene Zuflüsse sind in den Südwest- und Südostecken zu sehen, dazu ein Abfluß in der Nordostecke. In den Gräben selbst dürften, nach dem abfließenden Wasser zu urteilen, noch schwache Quellen sein. Zur Plattform des mit dem Aushub der Gräben aufgeworfenen Hügels führte früher eine Brücke, die sich treppenartig den Hang hinauf fortgesetzt haben dürfte. Die Gräben sind etwa 6 m breit und dem Geländeanstieg nach Südwesten hin entsprechend tief und scharf eingeschnitten. Auf der Nordseite hingegen verbreitert sich der Graben dem hier flachen Gelände entsprechend und verlandet.

Der Hügel ist ab jetzigem Wasserspiegel noch wenigstens 5 m hoch und schätzungsweise 27x27 m groß und besitzt bei relativ steiler Böschung eine Plattform, die heute etwas abgeschliffen früher eine Ausdehnung von etwa 8x8 m hatte. Der Hügel erscheint ziemlich kahl, wenn man von den auf ihm wachsenden Bäumen absieht. Um so auffallender ist eine schwache Vertiefung von runder Form in der Mitte der Hügelplattform, die einen Graswuchs zeigt. Unwillkürlich denkt man an einen Brunnenschacht, wie er bei derartigen Anlagen vorkommt und gleich beim Aufwerfen des Hügels hochgezogen wurde. -Das Gesamtareal -Hügel und Grabensystem - ist 1800 qm groß, mit der nördlichen Grabenverbreiterung wohl etwa 2000 qm. Über alles weitere gibt der Plan der Turmhügelanlage zu Billig III (jetziger Zustand) Auskunft.

Das mittelalterliche Befestigungswesen war auf Überhöhung des Angriffes abgestellt. Der Kunsthügelbau folgt diesem Grundsatz, indem er einer Burg oder einem einzelnen Bauwerk einen erhöhten Standort gibt. Wie schon angedeutet, ist die Billiger Anlage keine Burg. Für eine solche fehlte es an Platz auf dem Hügel. Er vermochte nur einen turmartigen Bau aufzunehmen mit einer Grundfläche von etwa 6x6 m, so daß noch ein kleiner Umgang zwischen diesem und der Umwehrung in Form einer Palisade am Rande der Plattform verblieb und Raum für den Treppenaufstieg zu dem allenfalls hochgelegenen Turmeingang. Es wird sich hier um einen Fachwerkturm gehandelt haben. Jedenfalls erscheint es sehr fraglich, ob die Entwicklung noch zur Erstellung eines massiv gemauerten Bauwerkes geführt hat. Spuren von Baumaterial waren nicht zu sehen. Eine Ausräumung der Gräben dürfte Licht in das diesbezügliche Dunkel tragen. Was den nutzbaren Raum anbetrifft, ist zu bedenken, daß ein schwachwandiger Holz- oder Fachwerkturm natürlich eine wesentlich größere lichte Weite besitzt als ein mit 1 bis 1,50 m starkem Mauerwerk ausgestatteter Turm gleicher Grundfläche. - Anlagen, bei denen ein Kunsthügel in die Erscheinung tritt, werden übrigens gerne als sogenannte Motten bezeichnet, ein Wort, das dem Französischen entlehnt ist und weiter nichts als Hügel bedeutet. Es kursieren überdies noch viele fragwürdige Bezeichnungen.

Wir haben es also nicht mit einer militärischen Anlage im Sinne einer abwehrkräftigen Burg zu tun, sondern mit einer in den früheren unsicheren Verhältnissen begründeten Selbstschutzanlage rein lokaler Bedeutung in Form eines festen Herrensitzes. Nach WeIters und Kisky glaubt Gelmann an einen auf dem Hügel stehenden Speicher, der notfalls auch als Schutzstätte dienen konnte, also nicht an einen eigentlichen Wohnbau. Dazu wäre folgendes zu sagen. Mit einem besonderen Speicher ausgestattete Höfe sind bekannt. In kleinen Verhältnissen ist es auch tatsächlich bei dieser Art Anlagen noch lange geblieben. Diese Speicher standen mit oder ohne besonderen Grabenschutz innerhalb oder am Rande des Hofes. -Turmhügel müssen in zeitlicher Sicht gewürdigt werden. Sie sind nämlich erst allmählich gewachsen. Überdies sollten wir in Billig nicht von einem Extrem ins andere fallen, indem auf der einen Seite eine jeder Grundlage entbehrende Burg behauptet wird und auf der anderen ein simpler Speicherhügel, gegen den dann nun doch der Aufbau und vor allem die Gediegenheit der ganzen Anlage spricht.

Umgekehrt behauptet Renard im Widerspruch zu seiner ersten eine Doppelhügelanlage zu Billig ("zwei gleichartige Rundhügel in den kreisförmig ausgeweiteten Enden eines langgestreckten Grabens") .Erkennbar für ihn war der bereits erwähnte fünfeckige verlandete Teich, der früher 700 qm groß war, von dem aus ein noch schwach erkennbarer Graben zu einem etwa 2000 qm großen viereckigen Turmhügel einschloß. In dem Teich stand kein Hügel. Es hat auch nie ein solcher dort gestanden, sonst wäre der Teich nach seiner Planierung samt Konturen verschwunden. Wollte man aber gleichwohl einen Kunsthügel annehmen, so wäre von folgender Rechnung auszugehen. In einem Grabenareal von 2000 qm ließ sich ein Hügel von etwa 60 bis 70 qm Plattform errichten. In dem T eich von 700 qm hätte günstigstenfalls ein Hügel mit einer höchst unglücklichen Plattform von etwa 20 qm Platz gefunden. Die behaupteten "zwei gleichartigen Rundhügel" sind nichts weiter als eine Illusion. Im übrigen ließe sich zu dieser imaginären Doppelhügelanlage in rein fachlicher Hinsicht noch sehr viel sagen.

Ein solcher fester Herrensitz, wir wir ihn in Billig festgestellt haben, ist natürlich ohne Existenzgrundlage ein totgeborenes Kind. Er steht also in Beziehung zu einem ihm meistens vorgelagerten festen Wirtschaftshof, der irrigerweise als Vorburg bezeichnet zu werden pflegt. Auf diese Art entsteht eine zweiteilige Anlage, die wir, sofern ein Kunsthügel vorhanden, als Turmhügelanlage bezeichnen. Der Zugang führt über den Wirtschaftshof zum abgesonderten herrschaftlichen Teil, dem mit dem Wohnbau ausgestatteten grabenumwehrten Hügel. Abweichungen von den Normalformen kommen vor. Sie bedingen aber keinen neuen Typ, erst recht keinen unbekannten. Bei aufgegebenen Anlagen dieser Art ist, wie leicht einzusehen, derjenige Teil der Verwischung am meisten ausgesetzt, der am schwächsten gebaut und mit dem geringsten Aufwand an Erdbewegung erstellt worden ist, und das ist nicht der herrschaftliche Teil, sondern der flacher gelegene Wirtschaftshof. So ist es auch in Billig.

Der Hügel mit dem breiten, tief eingeschnittenen Grabensystem ist erhalten geblieben, nicht aber der zugehörige Wirtschaftshof, den Renard und Kisky offensichtlich im Bereich D bis zur südlichen Begrenzung durch Teich und Graben vermuten. Sie berufen sich wie auch andere auf die Bezeichnung "Knöpp", womit im Volksmund der Hügel gemeint ist, und die Flurbezeichnung "auf der alten Burg". - Man stößt öfter auf die Bezeichnungen "Kopp, Knupp, Knopp" usw. bei solchen Hügeln. Über die Flurnamen an der Billiger Anlage gibt uns der Katasterplan Billig von 1828/29 genaue Auskunft. Nach ihm hieß damals der gesamte Bereich C und D "an der Altenburg", die gesamte süd-südwestlich dem Grabenviereck des Hügels vorgelagerte Flur "oben der Altenburg" und der in gleicher Richtung vor dem Teich- oder Grabengebilde gelegene Bereich "oben der Burg". Mehr westlich vom Teich finden wir dazu die Flur- oder Parzellennamen "an der Pützgasse" und "in der Pützgasse". Mit diesen Flurnamen werden wir uns in einem späteren Beitrag noch zu befassen haben.

Bemerkenswert ist auch, daß nach dem Katasterplan Billig in dem gesamten Raum, der uns interessiert, damals nur ein einziges kleineres Haus an der ganzen Dorfstraße lag. In der Tranchot-Karte der französischen Landesaufnahme aus der Zeit um 1810 erscheint dieser Raum als eine etwa 1,5 ha große weiße Fläche, ein Beweis dafür, daß noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts hier weder ein genutztes Wohn- oder Wirtschaftsgebäude noch ein aufgegebenes ruinöses Bauwerk stand.

Die Absicht des Verfassers, in der vorliegenden Arbeit die Frage des Wirtschaftshofes und damit des Gesamtobjektes, der Turmhügelanlage, zu behandeln, erwies sich wegen des beschränkt zur Verfügung stehenden Raumes als undurchführbar. So mußten wir uns auf das Primäre und Notwendigste beschränken, wozu nicht zuletzt die Ausräumung des bisherigen, die Sache schwerstens belastenden Meinungswirrwarrs gehört. So ist denn auch leider das rein Fachliche viel zu kurz gekommen.


Blick auf Billig


Es muß daher auf das Schriftwerk des Verfassers verwiesen werden, soweit es sich speziell mit den auch im Falle Billig besonders interessierenden Problemen (Kunsthügelanlagen, Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Burgen und sonstigen festen Anlagen) auseinandersetzt. Erwähnt sei u. a. die wohl am leichtesten zugängliche Arbeit Sieper. Wir werden uns in einer weiteren späteren Stellungnahme mit der Frage des Wirtschaftshofes, der Gesamtanlage, ihrer Entstehung, Entwicklung und Aufgabe auseinandersetzen, dem mehrfach erwähnten künstlichen Gewässer (Teich und Graben) , einzelnen Flur- und Parzellenbezeichnungen unsere Aufmerksamkeit schenken, allenfalls auch weitere unberührt gebliebene geschichtliche Fragen und Zusammenhänge aufgreifen.


Entnommen: Kreuzweingarten - Rheder - Kalkar, 1969, Zeitbiografischer Verlag, Kreuzweingarten


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