Von Hexen, Juffern und Feuermännern
Ein Kapitel Eifeler Sage und Eifeler Volksaberglaubens.
Von Dr. Josef Janssen

Volkssagen leuchten in die geheimnisvollen Tiefen unseres Volkes, sie zeigen uns die verborgenen Wurzeln unseres eigenen Ichs. Ranke sagt, daß wir alle noch ein Stück von jenem kulturlosen, kindlich-schöpferischen Sinn in uns haben, dem das Grauen der Nach, das leise Rinnen der Einsamkeit und alle Wunder des Waldes und der Welt um uns her sich zu lebendigen Gestalten verdichten. Wo Geschichte ist, blüht die Sage, hier schießt sie üppig ins Kraut. Und gerade in den Rheinlanden, jenen alten Kulturlanden, schlingt sich die Sage in immer frohem Wachstum um Volk und Land. Köstliche ungehobene Schätze harren noch des Entdeckens und des Schatzgräbers.

Der Volkssage liebstes Kind aber sind die Hexen.

Die Hexen sind Frauen, Mädchen aus dem Volke, die nachts, meist zwischen 12 und 3 Uhr ihre Gestalt verändern. Sie stehen mit dem Teufel in Verbindung, dem sie ihre Seele verkauft haben, dem sie sich freiwillig oder unfreiwillig in die Hand begeben haben. Dafür gab ihnen Luzifer geheimnisvolle Kräfte, Zaubermittel, Reichtümer, Schätze und herrliche Genüsse.

Nacht für Nacht finden wir sie auf den Hexentanzplätzen. Das sind Stellen von kreisrunder Form, wo das Grad üppiger gedeiht und fetter steht oder es sind auch Plätze, auf denen alles verdorrt ist, während ringsumher die Flora herrlich gedeiht.

Dort geht es lustig her. Männlein und Weiblein tanzen und springen in wilder Lust. Die Männer sind natürlich lebendige Teufel. Man trinkt köstliches Bier oder Wein aus goldenen Pokalen. Schöne Musik ertönt, alles ist festlich erleuchtet, die köstlichsten Gerichte werden aufgetragen. Man schmaust, man lebt herrlich und in Freuden.

Ein wahrer Hexensabbath!

Wehe dem verirrten Wanderer, der die Hexen belauscht und sie verrät. Er wird in den ersten besten Fluß ode Weyer gestoßen und einen Abhang hinuntergeschleudert, so daß er mit zerbrochenen Gliedern liegen bleibt. Wenn er aber Stillschweigen bewahrt, darf er mitzechen und mitfeiern.

Ist das nächtliche Fest vorbei, dann erhebt sich ein orkanartiger Sturm, der alles erzittern läßt und der die Bäume entwurzelt. Dann hebt ein großes Katzengeschrei an, als wenn hunderte Katzen miauten und jämmerlich schrien.

Oft verwandeln sich die Hexen in Katzen, Hasen oder Kröten. Oft feiern sie in dieser Verkleidung ihre Feste. Und der Jäger, der solche Hasen schießen will, muß erfahren, daß sein Gewehr nicht losgeht, oder daß sein Gewehr zerspringt, es sei denn, er hat ein geweihtes Gewehr oder einer schießt mit geweihtem Pulver.

Sind die Tiere getroffen und angeschossen, laufen am nächsten Tag die betreffenden Mädchen und Frauen, die als Hexen sich in Hasen oder Katzen verwandelt hatten umher mit verbundenen Gliedern, je nachdem wo der Jäger das Tier getroffen hat. Das ist das sicherste Zeichen eine Hexe zu erkennen und zu entlarven.

Die Hexen quälen ihre Mitmenschen. Sie vernichten seine Frucht auf dem Felde und in der Scheune, sie verderben sein Vieh, sie zünden sein Haus an, sie schicken ihm Krankheiten, sie reiten Maar, d. h. sie bedrücken die Menschen durch nächtlichen Alpdruck. Ja sogar, sie verseuchen die Menschen durch Ungeziefer. Alles Böse kommt von den Hexen, weil diese mit dem Vater des Bösen in Verbindung stehen.

Ihr eigenes Besitztum machen die Hexen unantastbar. So wollte einst ein junger Mann von der Rur einem Weibe, das als Hexe verschieen war, nachts Obst stehlen. Er mußte feststellen, daß an allen Bäumen des Obstgartens kein Obst zu sehen war, obwohl am nächsten Morgen wieder alles voll des schönsten Obstes hing. Als er nun ein andermal am hellichten Tage Obst nehmen wollte, hatte er plötzlich pures Feuer in der Hand und er verbrannte sich jämmerlich.

Die Hexen, die als Katzen durch die Gegend streifen, speien Feuer in die Augen der Wanderer, so daß diese blind werden. Auf die Kinder haben es die Hexen besonders abgesehen, weil sie die Unschuld hassen. Sie geben ihnen verhextes Obst zu essen, so daß sie wie toll einherrasen, in die Höhe springen, ungefährdet über die Dächer im Mondeslicht laufen. Hier kann nur eine Teufelsaustreibung durch das Gebet eines Priesters das Kind erretten. So hatte eine Hexe einem Kind sieben Pflaumen gegeben, so daß dieses tobsüchtig wurde. Als der Geistliche es feierlich segnete, brach es sieben Schlangen aus und wurde gerettet.

Denn die Hexen hassen den Namen Gottes und den Segen seiner Kirche. So hatte einst ein junger Mann einem Hexentanz beigewohnt. Man tanzte um einen Birnbaum auf einer Wiese. Dem jungen Mann reicht man dabei einen goldenen Becher mit Wein. Erstaunt über den kostbaren Becher, rief er aus: „Jesses, wat hat ihr schöne Becher!“ Kaum war das Wort Jesus gefallen, da war alles verschwunden und anstelle eines Bechers hielt er ein altes Kuhhorn in der Hand.

Im Gegensatz zu den Hexen sind die Juffern oder Jungfern Angehörige des Adels oder begüterter Kreise. Die Juffern, auch weiße Juffern genannt, sind die Geister von verfluchten Seelen, die nicht zur ewigen Ruhe kommen können, weil sie eine Freveltat begangen haben, die im Jenseits nicht gesühnt werden kann. Meistens handelt es sich um Hartherzigkeit gegen die Armen.

So ziehen die Juffern - meistens sind es 3 - unstet in den Nächten umher und belästigen Mensch und Tier. Sie spuken in alten, zerfallenen Burgen, unter dunklen Torbögen und an Kreuzwegen. Als ehemalige Ritterfräulein gehen sie in schwerer weißer Seide mit lang herabwallendem Schleier einher. Man hört das Rauschen und Knistern der Gewänder, wenn sie sich im Tanze drehen und dabei die Kleider raffen. An den Füßen tragen sie eiserne Schuhe, auf dem Kopfe das Juffernhütchen.

Denn eitel sind die Juffern. Tanzen und Spiel ist ihre Leidenschaft. Wie die Hexen sind sie nur während der Geisterstunden sichtbar. Oft packt sie die Liebesleidenschaft und sie locken die jungen Burschen. Abe wenn sie ihnen in die Hände fallen, schleifen sie diese durch Hecken, Zäune und Gestrüpp, so daß sie zerschunden am Wege liegen bleiben und erst am nächsten Morgen erwachen. Wo die Juffern einen Menschen berühren, gibt es schwere und schmerzende Brandmale. Oft müssen die Menschen, die eine Juffer zu Gesicht bekamen, es mit dem Verlust ihres Augenlichtes büßen.

Oft treten die Juffern ohne Kopf auf. Seltsam ist auch der Volksglaube, daß sie die Obstdiebe durch Händeklatschen durch Baumrütteln und lautes Geschrei verscheuchen.

Alle Juffern sind gutmütig, man muß sie nur in Ruhe lassen. Wehe dem, der sie reizt und verspottet. Sie zerbrechen dem Spötter Hals und Bein und versengen ihm die Haut. Besonders die Pferde scheuen die Juffern, die zittern heftig, wenn sie ihnen begegnen, sie bewegen sich nicht mehr von der Stelle und sind nur mit Mühe zu beruhigen. Das kommt daher, daß die Juffern als ehemalige Ritterfräulein immer mit Pferden zu tun hatten.

Die Feuermänner sind die Seelen von Bauern, die im Leben ihren Nachbarn etwas abgepflügt oder die ihre Mitmenschen durch Versetzen von Grenzsteinen geschädigt haben. Auch Leute, die einen Meineid geschworen haben und die Armen zu Gunsten der Reichen betrogen haben, sind dazu verdammt als Feuermänner zu spuken. Alle diese Vergehen sind in den Augen der Landbevölkerung so schwer, daß sie ohne weiteres im Jenseits nicht gesühnt werden können.

Wie sehen diese feurigen Männer aus?

Es sind glühende Menschengerippe, denen man die einzelnen glühenden Rippen zählen kann. Ein glühendes Herz hängt wie an einem Faden darin. Aus dem Gerippe quillt das Feuer, aus dem Mund und aus den Augenlöchern sprühen Funken. Sie erleuchten die Gegend weit und breit. Oft laufen sie ohne Kopf umher. Das erhöht das Grausige ihrer Erscheinung. Manchmal treten sie zu mehreren auf. Die Menschen belästigen sie nur, wenn sie von diesen belästigt werden. Wir erkennen hier die Parallele zu Hexen und Juffern. Wie diese versengen sie alles das, was sie anrühren: denn Juffern wie Feuermänner sind glühende Seelen aus dem Fegefeuer, die auf die Erlösung waren. Mit Vorliebe hocken sich die Feuermännen den Menschen auf die Schultern, so daß diese wegen der immer schwerer werdenden Last zusammenbrechen. Daß die Feuermänner nicht Einbildung und Betrug sind, erkennt man daran, daß sie alles versengen, was sie anrühren.

Solch ein Feuermann hauste im Kermeter bei Gemünd. Er war ehedem ein Förster, der als Sachverständiger bei Waldverkäufen und Holzverteilungen sich große Ungerechtigkeiten den Armen gegenüber hatte zu Schulden kommen lassen. Als er starb, fand er im Grabe keine Ruhe. Er spukte in seinem Forsthause und machte einen solchen Lärm, daß man ihn durch einen Pater von Mariawald in den Stall bannen ließ und als das nichts nützte, in den Kermeter.

Hier kann man ihm begegnen, wenn er mit zwei Hunden durch den alten Forst streift, die Flinte auf dem Rücken. Wer ihm begegnet, muß ihn eine Strecke weit tragen, wenn er auch schier unter der Last zusammenzubrechen droht. Nachts rast er als Feuermann durch den Forst, geisterhaftes Licht verbreitend. Allen, die ihn sehen, stehen die Haare zu Berge.

Während man die meisten Gespenster durch Gebet und Kreuzzeichen verscheuchen kann, lassen sich die Feuermänner meistens nur durch einen kräftigen Fluch vertreiben. Mit Vorliebe spuken sie im Advent und in Quatembernächten.

Einst begegnete einem Eifelbauer, der abends müde vom Felde mit seiner Schubkarre nach Hause fuhr, solch ein feuriges Gespenst. Er setzte sich mit seinem glühenden Knochengerippe auf die Karre. Diese wurde so schwer, daß der Bauer sie nicht mehr weiterschieben konnte. Der Bauer faßte sich ein Herz und fragte das Gespenst was er von ihm verlange.

Da winkte ihm der unheimliche Fahrgast, ihm mit dem Spaten zu folgen. Er führte den Bauer zu einem Grenzsteine, den er an einer andere Stelle setzen mußte. Als er dies getan hatte, war der Feuergeist plötzlich verschwunden mit den Worten: „Nun bin ich erlöst und ein Kind des ewigen Lebens!“

Dr. Josef Janssen in: Unsere Heimat, Beilage zum Euskirchener Volksblatt, 10. Jahrgang, Nr. 3, 1933, Seite 21- 24

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